Das Engagement der Bürger*innenbeauftragten ist für die Menschen in Schleswig-Holstein unersetzlich

Zu TOP 60 – Bericht der Bürger*innenbeauftragten für soziale Angelegenheiten – sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Marret Bohn:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bürger*innenbeauftragte für soziale Angelegenheiten hat ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 vorgelegt. Sie spricht Klartext und sie übt Kritik. Sie ist Anwältin für diejenigen, die alleine nicht durch den Dschungel des Sozialrechtes finden. Und das werden immer mehr. Im Namen der Grünen Fraktion bedanke ich mich sehr herzlich bei Samiah El Samadoni und ihrem Team. Wir unterstützen ihre unverzichtbare Arbeit sehr gerne.

Die Probleme, auf die sie aufmerksam macht, sind allerdings nicht neu. 3519 Petitionen gingen bei ihr ein. Das ist eine Steigerung zum Vorjahr. Probleme mit der gesetzlichen Krankenversicherung und dem SGB II waren leider wieder sehr häufig vertreten. Aber auch Arbeitslosengeld, Kinderzuschlag und Kindergeld spielten eine zentrale Rolle.

Und die Corona Pandemie wirkte sich auf die Arbeit der Bürgerbeauftragten aus. Durch die Änderungen in der Gesetzgebung im Rahmen der Corona-Sozialpakete. Aber auch durch Einschränkungen und Hygieneauflagen und die zunehmende Verunsicherung vieler Menschen.

Trotz Corona ist es dem Team gelungen, seine Arbeit für die Menschen in hoher Qualität und mit großem Engagement zu gewährleisten. „Homeoffice“ statt Sprechtage, mehr Beratung am Telefon statt persönlich, mit Maske und Abstand. Die zusätzlichen Erfordernisse haben alle an ihre Grenzen gebracht, aber der wichtige Service für die Bürger*innen konnte sichergestellt werden.

Eine Anregung aus dem mehr als 100 Seiten langen Bericht macht mich besonders nachdenklich. Und auch sie steht im Zusammenhang mit Corona – wenn auch nicht nur. Mir geht es um das digitale Existenzminimum oder anders gesagt die digitale Teilhabe. Nicht erst seit Corona ist klar, dass das Internet und die neuen Medien zum Leben dazu gehören. Ohne eine entsprechende Ausstattung sind weder Homeoffice noch Distanzunterricht möglich. Deshalb ist es wichtig, dass die Regelsätze nach den Sozialgesetzbüchern dies berücksichtigen.

Es muss ein entsprechender Betrag für die „Hardware“ und eine Summe für die monatlichen Kosten bei der Berechnung der Regelsätze berücksichtigt werden. Das ist wichtig für die soziale Gerechtigkeit und geboten für die Bildungsgerechtigkeit. Digitale Teilhabe ist ein Muss in digitalen Zeiten. Der Regelbedarf für das SGB II und XII im Monat liegt aktuell bei 446 Euro. Dabei sind für den Kauf und die Reparatur von Festnetz- und Mobiltelefonen sowie anderen Kommunikationsgeräten knapp 3,00 Euro im Monat sowie für Datenverarbeitungsgeräte, System- und Anwendungssoftware ca. 3,40 Euro vorgesehen. Diese Beträge sind das „Budget“ der Leistungsbeziehenden für digitale Endgeräte, beispielsweise ein Notebook, Tablet oder Smartphone.

Die veranschlagten Summen sind zu gering, um diese Hardware anzuschaffen, aber auch um sie zu erneuern oder zu erhalten. Die bestehenden Rechtsgrundlagen bieten den Be­troffenen keine ausreichenden Möglichkeiten, ihre digitale Teilhabe sicherzustellen. Bei der Bereitstellung des erforderlichen Internetanschlusses sieht es mit 33,45 Euro für Kommunikationsdienstleistungen zwar besser aus, aber der Anschluss ohne funktionierendes Endgerät bringt gar nichts.

Eltern, Kinder und Jugendliche, Alleinstehende, pflegebedürftige und sterbende Menschen und ihre Angehörigen haben unter den Einschränkungen und der Einsamkeit in der Corona-Pandemie sehr gelitten. Die einzige Möglichkeit, Kontakt zu ihrer Familie, ihren Angehörigen und ihrem Freundeskreis zu halten, bestand häufig über digitale Geräte. Die Corona-Pandemie hat vor Augen geführt, wie wichtig eine digitale Grundausstattung für alle Menschen ist.

Während der Lockdowns waren viele Ämter für den Besuchsverkehr geschlossen. Anträge auf Sozialleistungen und die Kommunikation mit den Trägern sollten elektronisch erfolgen. Schüler*innen sollten digital zu Hause unterrichtet werden. Viele Menschen haben dafür nicht die erforderlichen technischen Voraussetzungen. So wurde gerade für Menschen mit geringem Einkommen die Teilhabe an Bildung und am gesellschaftlichen Leben erheblich erschwert. Aus diesen schlechten Erfahrungen müssen wir lernen und Konsequenzen ziehen. Die digitale Teilhabe muss sichergestellt werden.

Wir Grüne unterstützen die Forderung nach einem digitalen Existenzminimum aus voller Überzeugung. Ich würde mich freuen, wenn wir die Anregungen der Bürger*innenbeauftragten miteinander beraten und daraus konkrete Initiativen ableiten.

Das Engagement der Bürger*innenbeauftragten und ihrer Mitarbeiter*innen ist für die Menschen in Schleswig-Holstein unersetzlich. Das macht der vorliegende Bericht einmal mehr deutlich. Dieser Tätigkeitsbericht ist eine Mahnung, die Menschlichkeit nicht zu vergessen, eine Mahnung an die Politik, dass es Lücken im sozialen Netz gibt. Der Auftrag für uns ist, diese Lücken zu schließen.

(es gilt das gesprochene Wort)

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