Wir müssen neue Wege finden, mit der Pflege über die Pflege zu sprechen

Zu TOP 12+33 – Auflösung der Pflegeberufekammer SH – sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Marret Bohn:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Pflegekräfte leisten Tag und Nacht Enormes für unsere Gesellschaft. Das wissen wir nicht erst seit der Corona-Pandemie. Aber der Wert der Pflege für unsere Gesellschaft, für uns alle, spiegelt sich nicht ausreichend in den Arbeitsbedingungen wieder. Auch das wissen wir nicht erst seit der Corona-Pandemie.

Das Klatschen auf Balkonen, die Zahlung eines einmaligem Pflegebonus, das ist alles gut und richtig, reicht aber bei weitem nicht aus. Und genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir nicht nur über die Pflege sprechen, sondern mit ihr. Das war die Idee der Pflegekammer. Profis aus dem Beruf, die die Politik beraten. Profis, die der Pflege ein Gesicht und eine Stimme geben. Die konkrete Vorschläge zu dringend notwendigen Verbesserungen machen. Für die Pflegekräfte und für die Pflegebedürftigen.

Durch die Pflegekammer Schleswig-Holstein haben wir erstmals in der Geschichte des Landes einen landesweiten Überblick über die Altersverteilung innerhalb der Pflege bekommen. Und zwar nicht allgemein, sondern ganz konkret, Jahrgang für Jahrgang. Und wir investieren mit der Jamaika-Koalition kräftig in die Pflegeschulen im Land. Aber das wird nicht ausreichen.

Die Verhandlungen über einen einheitlichen Tariflohn in der Pflege sind vorerst gescheitert. Das ist enttäuschend. Die Pflegeberufereform bringt uns eine generalistische Pflegeausbildung und soll mittelfristig zu einer Angleichung der Vergütung in der Alten- und der Krankenpflege führen – hat sie aber noch nicht.

Eine bedarfsorientierte Bemessung des Pflegepersonals ist dringend erforderlich, da gibt es überhaupt keine Zweifel – es gibt sie aber nicht. Der Wunsch nach einer Selbstvertretung wurde nicht von der Politik erfunden, der Wunsch kam von Akteur*innen aus der Pflege. Der Wunsch war, bei allen politischen Beratungen mit am Tisch zu sitzen, mit zu entscheiden. So wie es für die Ärztekammer und die Psychotherapeutenkammer selbstverständlich ist.

Beide genießen hohes Ansehen und sind ein gern gesehener und gehörter Gast bei unseren Beratungen in den Ausschüssen. Es gab über die Pflegekammer eine repräsentative Umfrage. Es gab Fachgespräche. Die Frage der Pflegekammer wurde auf einen Landespflegetag diskutiert und erhielt dort breite Zustimmung.

Heute sprechen wir über einen Gesetzentwurf, der die Pflegeberufekammer auflösen soll. Die Mitglieder der Pflegekammer wollen ihre Kammer nicht. Fast 92 Prozent haben in einer Abstimmung für ihre Auflösung gestimmt. Das ist eine klare Ansage. Diesen Wunsch wollen wir als Gesetzgeber respektieren und umsetzen.

Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein wird aufgelöst. Wir werden andere Wege finden müssen, um mit der Pflege über die Pflege zu sprechen. Das ist unsere Aufgabe als Parlament. Ich freue mich über alle Pflegekräfte, die mit vollem Engagement und voller Leidenschaft dabei ihre Interessen vertreten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort)

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