Zu TOP 22 – Geschichte der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein aufarbeiten – der heutigen Landtagssitzung sagt die Sprecherin für Minderheitenpolitik der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Marret Bohn:
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleg*innen,
der SPD und dem SSW danke ich an dieser Stelle für die Initiative. Ich freue mich sehr, dass daraus ein gemeinsamer Antrag entstanden ist. Ich freue mich ausdrücklich darüber, dass wir in diesem Haus, in der gebotenen Fachlichkeit zwar oft miteinander streiten und uns auch durchaus heftig und kontrovers auseinandersetzen, bei Themen wie diesem aktuellen aber Seite an Seite stehen und einem gemeinsamen Blick darauf haben.
Die Geschichte der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein geht weit zurück in die Vergangenheit. Die erste urkundliche Erwähnung in Lübeck stammt aus dem Jahr 1417. Schleswig-Holstein hat eine besondere Verantwortung seinen Minderheiten gegenüber. Und das sage ich als Angehörige der friesischen Minderheit aus voller Überzeugung.
Von daher war die Aufnahme der Sinti und Roma als Minderheit in die Landesverfassung 2012 konsequent und folgerichtig. Die Fülle an unterschiedlichen Minderheiten macht Schleswig-Holstein bunter und bereichert auch die Kultur der Gesamtgesellschaft.
Die Art und Weise, wie ein Staat mit seinen Minderheiten umgeht, ist Gradmesser für eine gelebte vielfältige Demokratie. Immer wieder war und ist besonders auch die Minderheit der Sinti und Roma Diskriminierung und Ablehnung ausgesetzt. Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist großes Unrecht und unermessliches Leid geschehen. Es ist sinnvoll und richtig, eine umfassende Offenlegung und Kenntnis über die Geschehnisse zu erlangen.
Erlittenes Unrecht, liebe Kolleg*innen – und es ist nicht wichtig, wie lange es her ist –
erlittenes Unrecht muss wahrgenommen und anerkannt werden. Wird es das nicht, dann schwelt es wie eine zugedeckte Wunde weiter und Heilung kann und wird nicht stattfinden.
Der erste Schritt zur Heilung ist das Wahrnehmen und achtsame Umgehen mit einer Verletzung. Und genau das wollen wir endlich tun: Wir wollen hingucken, benennen und aufarbeiten. Bei dieser Art der Betrachtung liegt der Schwerpunkt in der Bestimmung von Verantwortung und das beinhaltet eine Erinnerungskultur.
Sich erinnern ist ein wichtiger Prozess, weil er Erfahrung birgt, die Möglichkeit, sich immer wieder bewusst zu entscheiden und Klarheit und Verständnis über die Gegenwart schafft. „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“ – dieses Zitat stammt vom Begründer der deutschen Sozialdemokratie, August Bebel.
Um die Brücke von diesem Zitat zu uns zu schlagen: Für uns als Parlament ist es wichtig, zu lernen und zu verstehen, damit unsere Demokratie stabil bleibt, ein festes Fundament behält und sich weiter entwickeln kann. Und das bringt mich zum Anfang meiner Rede zurück: Ich freue mich, dass wir demokratischen Parteien hier heute alle zusammenstehen und gemeinsam beschließen, einen weiteren Schritt zu gehen bei dem Versuch der Aussöhnung.
In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(es gilt das gesprochene Wort!)
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