Pflegende Angehörige brauchen neben Wertschätzung auch Entlastung

Zu TOP 19 – Entlastungsbetrag für Pflegebedürftige direkt auszahlen – der heutigen Landtagssitzung sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Marret Bohn:

Niemand will zum Pflegefall werden und auf Unterstützung angewiesen sein. Niemand möchte anderen Menschen zur Last fallen. Aber da werden wir nicht gefragt. Unfall, Krankheit oder Alter sind dafür verantwortlich, dass Pflege und Unterstützung erforderlich werden. Im Jahr 2017 hatten 109.162 Menschen in Schleswig-Holstein einen anerkannten Pflegegrad, so die Pflegestatistik der Statistischen Ämter. Davon wurden 73.562 Pflegebedürftige zu Hause versorgt. Das sind beachtliche 67 Prozent. Nur 26.112 Menschen erhielten Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst. Die Mehrheit wird von nahestehenden Menschen gepflegt und unterstützt. Oft sind es Ehefrauen und Töchter.

Eine immense Belastung liegt auf den Schultern von Familie, Angehörigen und Freund*innen. Das ist eine sehr große Verantwortung. Umso wichtiger ist neben der Wertschätzung auch die Entlastung dieser Angehörigen. Um den Einsatz und Pflegeaufwand in Anspruch nehmen zu können, erhalten die pflegebedürftigen Menschen Pflegegeld. Hiermit können sie ihre pflegenden Angehörigen für die erhaltene Unterstützung materiell entlohnen.

Zusätzlich gibt es von der Pflegekasse den Entlastungbetrag von 125 Euro. Er soll ermöglichen, ergänzende Angebote durch andere Menschen in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel im Rahmen von Nachbarschaftshilfe. Er ist gerade nicht dafür gedacht, die hauptbelasteten Pflegenden zu bezahlen. Auch nicht dafür, den vielleicht knappen Lebensunterhalt aufzustocken.

Weil es sich um pflegebedürftige Menschen handelt, ist es wichtig, dass die zusätzlichen helfenden Hände wissen, was sie tun. Soziale Kompetenz und Kenntnis über Situationen im Pflegealltag sind erforderlich. Welche Ansprüche hier angelegt werden, wird auf Landesebene durch eine Verordnung geregelt. Diese befindet sich gerade in der Überarbeitung. Ziel ist es, Anforderungen und Verfahren einfacher und praxisorientierter zu gestalten. Zum Beispiel acht anstelle von 20 Stunden Schulung und eine zentrale Ansprechstelle. Ich finde, das geht in die richtige Richtung.

Der SSW möchte auf das Antrags- und das Anerkennungsverfahren vollständig verzichten. Ich kann gut nachvollziehen, dass in einer fordernden Pflegesituation diese Anforderungen eine Belastung darstellen. Unnötige Bürokratie, die finden auch wir Grüne falsch. Aber ist das an dieser Stelle der Fall? Der Name der Geldleistung, über die wir diskutieren, ist auch ihr Programm. Mit dem Entlastungsbetrag sollen die Menschen entlastet werden, die die Laienpflege alltäglich stemmen und diejenigen, die gepflegt werden.

Niemand kann 24/7 an 30 oder mehr Tagen im Monat da sein oder ihr oder sein Bestes geben. Es ist eine temporäre Entlastung, damit die pflegenden Angehörigen eine kleine Auszeit bekommen und Kraft schöpfen können. Es ist unverzichtbar, dass Menschen, die familiär und ehrenamtlich pflegen, Auszeiten bekommen. Sonst droht ihnen der Burn Out.

Unser heutiges Thema ist nicht trivial, ganz im Gegenteil. Es ist höchst anspruchsvoll. Es geht um Menschen in einer sehr herausfordernden Situation. Es geht um Pflegebedürftige. Es geht um pflegende Angehörige. Es geht um deren Entlastung und Unterstützung. Und eine gut gemeinte Lösung, die nicht genau passt, kann schnell zum Bumerang werden. Deshalb schlage ich Überweisung in den Sozialausschuss vor.

(es gilt das gesprochene Wort)

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