Zu TOP 37 (Unterstützungsleistungen für von Leid und Unrecht Betroffene) sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Marret Bohn:
Unrecht ist und bleibt Unrecht
Niemand sollte Zwang, Unrecht oder Leid erfahren müssen. Ganz besonders nicht Kinder und Jugendliche. Schon gar nicht Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen oder Menschen mit Behinderung. Und ganz besonders dann nicht, wenn sie unter der Obhut staatlicher Stellen oder der Kirchen stehen.
Menschen, die in stationären Einrichtungen leben, haben ein Anrecht auf Unterstützung, Förderung und Schutz. Die Realität ist leider viel zu oft eine andere gewesen. Viel zu viele Kinder und Jugendliche mussten erfahren, dass sie ausgeliefert sind. An ihnen wurde Gewalt verübt. Sie wurden misshandelt und zu Arbeit gezwungen. Sie erhielten ungefragt und ohne Diagnose Medikamente – zu Testzwecken, nicht zu ihrem eigenen Wohl. Das ist ungeheuerlich.
Zwang, Unrecht und Leid darf es in keiner Einrichtung geben. Schon gar nicht in denen, deren Auftrag es ist, Menschen zu unterstützen, zu fördern und zu beschützen. Und das ist der Auftrag der Jugendhilfe, das ist der Auftrag der Behindertenhilfe und das ist der Auftrag in psychiatrischen Einrichtungen.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Aufarbeitung wurden Hinweise gefunden, dass die damalige Landesregierung und die Parlamentsausschüsse Kenntnis hatten von den Missständen. Aber es wurde nichts getan. Aus heutiger Sicht ist das ungeheuerlich.
Es ist für uns Grüne völlig klar, dass Menschen, Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen Zwang, Unrecht und Leid erleben mussten, ein Recht auf Entschädigung haben. Sie alle müssen gleich behandelt werden. Sie alle haben denselben Anspruch auf Entschädigung. Dieser ist unabhängig davon, ob es sich um Einrichtungen der Jugendhilfe, der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie handelt. Es darf keine Rolle spielen, wer der Träger der Einrichtungen gewesen ist: das Land, die Kirche, ein Wohlfahrtsverband oder ein privater Träger. Auch keine Rolle spielen sollte, ob die Vorfälle in den 50er, 60er, 70er Jahren geschehen sind. Unrecht ist Unrecht und bleibt Unrecht!
Die entscheidende Frage ist, wie wir das geschehene Unrecht entschädigen können?
Wieder gut machen können wir es nicht. Ungeschehen machen können wir es nicht. Aber wir können anerkennen, dass es dieses Leid gegeben hat. Wir können die Verantwortung übernehmen und uns der notwendigen Auseinandersetzung stellen. Wir können uns für eine Entschädigung der Betroffenen einsetzen.
Einiges wurde schon getan, aber es gibt Lücken. Der „Fonds Heimerziehung“ wurde 2018 geschlossen. Aus ihm fließen keine Leistungen mehr. Was ist dann mit denjenigen, die bisher keine Leistung erhalten haben, aber gleichermaßen Unrecht haben erleiden mussten? Sie dürfen nicht leer ausgehen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Das ist mir persönlich ganz wichtig. Daher unterstütze ich, dass es eine Verlängerung geben wird.
Ich freue mich, dass wir uns in der Jamaika-Koalition darüber verständigen konnten, dass Schleswig-Holstein 6,2 Millionen Euro für Entschädigungsleistungen in einem Opferhilfsfonds zur Verfügung stellt. Einmalige Leistungen, die sich in ihrer Höhe an denen der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ orientieren. Es ist ein Signal und ein Bekenntnis zur Verantwortung.
Deshalb erhalten wir die bewährte Beratungsstelle mit ihrem engagierten Personal aufrecht. Dort sind Motivation, fachliche und soziale Kompetenz, Erfahrung und Empathie vorhanden.
Ich bedanke mich bei allen die geholfen haben, dass wir dies erreichen konnten. Und ich bedanke mich bei den Betroffenen für ihren Mut, über die schrecklichen Erfahrungen zu sprechen. Ich hoffe, dass wir heute als Parlament gemeinsam zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Es gilt das gesprochene Wort)
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