Kinder brauchen Schutz, Vertrauen und Geborgenheit

Zu TOP 21, 30, 54 (Schutz von Kindern und Jugendlichen) sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Marret Bohn:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Kinder brauchen Schutz, Vertrauen und Geborgenheit, um sich frei entfalten und entwickeln zu können. Leider sieht die Lebenswirklichkeit vieler Kinder und Jugendlicher ganz anders aus. Sie sind Opfer von Misshandlung und Gewalt. Verbal und physisch. Sie leiden, haben Angst und verlieren an Selbstwertgefühl. Die Traumata wirken oftmals bis ins hohe Alter und haben gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens.

Wir haben heute dazu drei ganz unterschiedliche Tagesordnungspunkte, die aber alle miteinander zusammenhängen. Ich bin froh, dass wir sie an solch prominenter Stelle diskutieren. Das ist ein wichtiges Zeichen für alle Betroffenen.

Ich komme zum ersten Punkt der Debatte – Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt – zu welchem uns zwei Anträge vorliegen. Ich bin mir sicher, dass wir hier in der Sache alle dasselbe Ziel haben. Trotzdem habe ich mich ehrlich gesagt etwas gewundert, Herr Kollege von Pein, dass sie mit Ihrem Antrag nicht die mündliche Anhörung im Bildungsausschuss letzte Woche abgewartet haben. Denn diese war, wie meine Kolleginnen mir berichtet haben, sehr aufschlussreich. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass unser Alternativ-Antrag wesentlich konkreter ist als ihr inhaltlich doch etwas dünner Antrag, liebe SPD.

Anlass für die Anhörung war unser Jamaika-Antrag von Oktober letzten Jahres „Gewalt in Schule wirkungsvoll thematisieren und vorbeugen – sexualisierte Gewalt im Fokus“. Darin haben wir die Landesregierung unter anderem gebeten, einen Fachtag durchzuführen, einen Handlungsleitfaden zu finalisieren und zu prüfen, ob Änderungen im Schulgesetz nötig sind. Mittelfristig soll sichergestellt werden, dass alle Schulen Schutzkonzepte haben. Unser Antrag und die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen wurden von allen Expert*innen deutlich begrüßt.

Die Anhörung hat auch gezeigt, wie wichtig es ist, die Themen Prävention von sexueller Gewalt und Intervention bei Kindeswohlgefährdung in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften zu verankern. Nur so können Fachkräfte lernen, wachsam und im Ernstfall handlungssicher zu sein. Außerdem wurde die Wichtigkeit von Präventionsangeboten, Schutzkonzepten und Fortbildungen für die Eingliederungshilfe und Betreuungseinrichtungen betont. Wir haben unseren Antrag unter anderem um diese beiden Forderungen ergänzt und freuen uns über Zustimmung.

Ich komme nun zum Bericht unserer Bürger*innenbeauftragten als Ombudsperson in der Kinder- und Jugendhilfe. In den Jahren 2018 und 2019 sind 615 Petitionen bei der Beschwerdestelle eingegangen, 81 davon direkt von Kindern und Jugendlichen. Insgesamt gab es im aktuellen Berichtszeitraum etwa ein Drittel mehr Petitionen als im vorherigen. Das zeigt, dass die Ombudsstelle immer besser aufgestellt ist. Es zeigt, dass sie als Ansprechpartnerin angenommen wird – was mich ganz besonders vor dem Hintergrund des Friesenhof-PUA sehr erleichtert.

Das ist der engagierten Arbeit von Ihnen – liebe Frau El Samadoni – und Ihrem Team zu verdanken. Herzlichen Glückwünsch und vielen Dank dafür! Der Bericht gibt aber nicht nur Grund zum Jubeln. Es werden auch einige konkrete Probleme angesprochen: Viele Beschwerden betreffen die Kommunikation mit den Jugendämtern. Was oftmals auf die unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung zurückgeführt wird. Das Landesjugendamt haben wir ja im Bereich Heimaufsicht deutlich aufgestockt, für die Jugendämter vor Ort müssen die Kommunen überprüfen, wie die Situation verbessert werden kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, die Beschwerdestelle auch für Pflegekinder sichtbarer zu machen. Es muss klar kommuniziert werden, dass auch sie sich mit ihren Fragen und Problemen an die Ombudsstelle wenden können. Außerdem brauchen wir landeseinheitliche Standards für Unterstützungsangebote der Jugendämter für Pflegefamilien. Wenn Pflegeeltern und –kinder gut begleitet und unterstützt werden, ist es möglich, dass viele Konflikte erst gar nicht entstehen.

Zu der Forderung nach einer Schulpflicht für alle in Schleswig-Holstein lebenden Kinder, beziehungsweise der Beschulung von Heimkindern wird es dank der Initiative des SSW nach der Sommerpause einen schriftlichen Bericht geben. Ich hoffe, dass darin eine gute Lösung aufgezeigt wird.

Ich danke für den Bericht und begrüße eine Überweisung in den Sozialausschuss. Dort können wir uns mit allen anderen Anregungen ausführlicher beschäftigen. Darauf freue ich mich.

Last but not least komme ich nun zu unserem Antrag Kinderschutz während der medizinischen Behandlung. Gerade für mich als Ärztin ist das ein wichtiges Thema. Den Vorschlag der SPD, den Kinderschutz ins Landeskrankenhausgesetz aufzunehmen, haben wir damals aus guten, systematischen Gründen abgelehnt. Die Änderung des SGB V ist nun das richtige Instrument, den Kinderschutz bundesweit und für alle Kinder zu verankern. Wir bitten die Landesebene, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen. Auch hier freue ich mich über Unterstützung für unseren Antrag.

Als Gesellschaft haben wir die Verantwortung, Kinder und Jugendliche zu schützen und zu stärken. Deshalb setzt sich meine Partei schon seit langer Zeit dafür ein, Kinderrechte endlich im Grundgesetz festzuschreiben. Ich bedauere es sehr, dass der Vorschlag der Grünen Bundestagsfraktion, der sich an den Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention orientiert, kein Gehör gefunden hat. Der Vorschlag der Großen Koalition ist Symbolpolitik und eine einzige Enttäuschung.

Aber ich freue mich, dass wir hier in Schleswig-Holstein heute konkrete Maßnahmen beschließen. Dass wir nicht nur reden, sondern handeln.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Es gilt das gesprochene Wort)

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